1. Sachverhalt der Vorlagefrage
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Betreiberin von Parkplätzen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die Nutzungsbedingungen für die Parkplatznutzung sind in AGBs festgelegt und regeln u.a. die zulässige Parkdauer und das zu entrichtende Entgelt. Sofern gegen die Nutzungsbedingungen (z. B. mangelnde Sichtbarkeit des Parktickets, Zeitüberschreitung etc.) verstoßen wird, erhebt die Klägerin eine sog. „Kontrollgebühr“ iHv (umgerechnet) 70€, ggf. zusätzlich zum regulären Parkentgelt. Über diese „Sanktionierung“ werden alle Nutzer durch ein gesondertes Hinweisschild informiert, das über den genauen Katalog der vertragswidrigen Nutzung und die Höhe der Kontrollgebühr aufklärt.
2. Auffassung und Entscheidung des EuGH
Nach Auffassung des EuGH handelt es sich bei den Kontrollgebühren um einen Teil der Gegenleistung, die für die Bereitstellung eines Parkplatzes entrichtet wird. Sofern vorschriftswidrig geparkt werde, habe sich der Parkende mit den Parkbedingungen und der Zahlung der Kontrollgebühr einverstanden erklärt. Folglich bestehe nach Auffassung des EuGH der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Parkplatznutzung und der Kontrollgebühr als Entgelt. Durch die Erhöhung der Betriebskosten durch das Falschparken sei auch die Höhe der Kontrollgebühr gerechtfertigt. Zudem sei es unschädlich, dass die Kontrollgebühr im Voraus festgelegt wurde und nicht für den konkreten Einzelfall ermittelt wird.
Darüber hinaus sei es unschädlich, dass die Kontrollgebühr nach nationalem Recht ein Bußgeld darstellt. Insoweit betont der EuGH, dass es auf eine unionsrechtliche Betrachtung ankommt.
3. Derzeitige Auffassung der Finanzverwaltung und Bedeutung der Entscheidung für die Praxis
Bisher wurden Vertragsstrafen von der deutschen Finanzverwaltung grds. als nicht steuerbarer Schadensersatz behandelt. Dabei gilt natürlich auch im deutschen Umsatzsteuerrecht, dass allein die Bezeichnung als Vertragsstrafe nicht ausreichend ist. Es muss regelmäßig vielmehr darauf abgestellt werden, dass die fragliche Vertragsstrafe auf die Sanktionierung eines Verhaltens gerichtet und darüber hinaus eine Schadenspauschalierung bewirken soll. Insoweit steht die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs.
Diese tradierte Behandlung könnte sich in Zukunft durch das Urteil des EuGH allerdings ändern. Die konkrete Entscheidung ging hier zwar nur zum Fall einer Vertragsstrafe für den Fall des Falschparkens. Allerdings könnte das Urteil auch auf andere Fälle von Vertragsstrafen anwendbar sein. Die auf BFH-Rechtsprechung gestützte Auffassung der Finanzverwaltung, wonach erhöhte Beförderungsentgelte bei Schwarzfahrten nicht umsatzsteuerbar sind, ist mit dieser Entscheidung des EuGH schwer vereinbar. Insbesondere ist durch dieses Urteil auch die lange diskutierte Frage nach dem Minderwertausgleich bei Leasingverträgen wieder auf dem Tisch. Unternehmen sollten auf diese Entscheidung reagieren und ggf. ihre Verträge und AGBs im Hinblick auf eine mögliche Umsatzsteuerbarkeit anpassen. Besonders problematisch könnte es sein, wenn die Vertragsstrafenabrede keinen Hinweis auf eine mögliche Umsatzsteuerbarkeit enthält. Dann sollte eine Prüfung unbedingt erfolgen. Wie sich das Urteil in Zukunft auf die Praxis auswirken wird und wie die deutsche Finanzverwaltung reagieren wird, bleibt abzuwarten.